„Es ist kompliziert“, das trifft die Beziehung von Facebook und Storytelling wohl am besten. Einerseits hat Facebook nicht erst seit dem Update der Timeline alles dafür getan, damit jeder Nutzer sein Leben „erzählen“ kann – in Bildern, über Beziehungsangaben, Werdegang, Updates oder Videos. Andererseits will Facebook die Grenzen von Realität und Fiktion genau kontrollieren.
Seiten vs. Profile
Sprich, fiktionale Accounts sind als persönliche Accounts verboten, stattdessen hat man inzwischen eine Fanpagekategorie für „fiktionale Charaktere“ eingeführt. Die Mitglieder von Adeles Salon haben beispielsweise solche Seiten – die sich beim Test (Abbildung eines Pen&Paper-Abends auf Facebook) aber als ziemlich nutzlos herausstellten, denn: Interaktion zwischen den Charakteren kann mit Seiten praktisch nicht stattfinden. Seiten sind gegenüber Profilen einfach sehr viel eingeschränkter in ihrer Funktionalität. Aus rechtlichen Gründen (und auch monetären, nicht zu vergessen) ist das Vorgehen von Facebook nachvollziehbar, ob die Plattform wirklich hinterher kommt mit dem Sperren oder Löschen regelwidriger Accounts glaube ich jedoch nicht. Es ist sowieso die Frage, welchen Schaden diese Konten eigentlich anrichten können – vorausgesetzt man verfügt als mit ihnen kommunizierender Nutzer über eine gewisse Medienkompetenz. Trotz dieser Hürden für Fiktion (bei gleichzeitiger Inszenierung und Fiktionalisierung von Lebensläufen, die aber Werbedollar bringen) gibt es einige Experimente und Projekte, die auf Facebook als Storytelling-Medium setzen.
Filmemacher auf Facebook: Superhero-Blog
Letzten Mittwoch war ich zum Crossmedia Workshop der Filmförderung Hamburg Schleswig-Holstein eingeladen, um zum Schwerpunkt Marketing und Social Media etwas beizusteuern. Weiterer Gast der wunderbaren und von Bernd-Günther Nahm klug moderierten Gesprächsrunde war Filmemacher Stefan Gieren (fiction 2.0). Er hatte 2011 mit zwei weiteren Autoren/Regisseuren den abgehalfterten Superhelden Captain Impact erfunden, der einen Praktikanten namens Robin W. Schrader anstellt, einen gebürtigen Hamburger, der fürs Praktikum nach New York zieht.
Lustige Geschichte, die nur ein Problem hat, wie Stefan meinte: die Freundeszahl und damit die Reichweite bleiben wegen der Facebook-Regularien (ein privater Account kann maximal 5.000 Freunde haben, danach folgt die Umwandlung in eine Fanpage) begrenzt. Robin postet zwar ab und an noch etwas, und die Filmemacher nutzen Robins Freundeskreis mittlerweile auch, um auf neue Projekte hinzuweisen, die Domain leitet aber mittlerweile ins Leere, die Folgen finden sich noch auf blip.tv. Vor etlichen Monaten drehten die drei Macher zwar noch einen (fiktiven) Werbespot mit ihrem Superhelden (siehe Video). Gerade die Sache mit der Domain ist aber natürlich schade und vermittelt das Gefühl, das Projekt sei zu Ende. Für (Transmedia) Storytelling-Projekte im Netz wünsche ich mir, dass sie auch im Nachhinein nachvollziehbar bleiben, obwohl das oft schwierig ist. Aus dem Publikum kam im Gespräch übrigens noch die interessante Frage, wie es denn mit Urheber- bzw. Nutzerrechten bei Social Media-Plattformen wäre; schließlich erklären Facebook und andere Plattformen, mit dem Upload von Inhalten über umfangreiche Nutzungsrechte zu verfügen. Rechtsanwalt Thomas Schwenke meinte dazu im Interview auf dem Social Secrets-Blog:
Auch Youtube und Vimeo lassen sich umfangreiche Nutzungsrechte an den Videos der Nutzer einräumen. Diese haben zunächst den Zweck es anderen Nutzern zu erlauben die Videos zum Beispiel auf deren Websites, Blogs oder in Social Media einzubinden. Es ist aber auch möglich, dass die Videoplattformen die Videos monetarisieren, indem sie zum Beispiel die Clips einem Fernsehsender überlassen. Auch wenn die rechtliche Zulässigkeit dieser Klauseln angezweifelt werden kann, sollte man trotzdem nur Videos hochladen, an denen man selbst die Rechte hat.
Abenteuer und Leben von Hans Huckebein
Doch nicht nur Filmemacher tummeln sich auf Facebook. Auch Museen testen das Marketingpotenzial sozialer Netzwerke seit einigen Jahren aus. Ein großer Erfolg war Hans Huckebein, eine Aktion der Staatlichen Museen zu Berlin (SMB), initiiert von Corinna Salmen und Hie-suk Yang. Auf den Namen Hans Huckebein – entliehen bei Wilhelm Buschs Unglücksraben – tauften sie ein Exponat der „Geretteten Götter“-Ausstellung im Pergamon-Museum Berlin, und ließen ihn fortan ein Eigenleben auf Facebook führen – neben den offiziellen Seiten der SMB, die auch recht aktiv und erfolgreich sind. Von ihnen stammt übrigens eine meiner Lieblingsaktionen auf Facebook: sie posten das Foto eines Bildes aus ihrer Sammlung und regen dann die Facebook-Fans dazu an, in den Kommentaren eine Geschichte zum Bild zu schreiben. Doch das nur nebenbei, denn Ziel von Hans Huckebein war es, über eine Persönlichkeit mehr Interaktion zu erzielen. Dazu berichtete Hans Huckebein z.B. von Veranstaltungen und bot einen Blick hinter die Kulissen der Ausstellung (mehr dazu hier). Leider wird das Profil in der letzten Zeit nicht mehr wirklich gepflegt, so dass „Freunde“ Werbung an die Timeline von Huckebein posten. Das ist die Kehrseite des Onlinebleibens bzw. auch vieler Kampagnenseiten: wer kümmert sich weiter und wie lange?
Nicht so gut funktioniert hat der Versuch, mit Hanno Elefant dem Kupferstichkabinett in Berlin einen Markenbotschafter auf Facebook zu kreieren:
„Hanno der Elefant“ ist eine um 1514-1516 entstandene und heute im Berliner Kupferstichkabinett aufbewahrte Zeichnung. Das außergewöhnliche Kunstwerk stammt von der Hand eines Schülers des großen italienischen Renaissancekünstlers Raffael. Es zeigt den weißen Elefanten Hanno, den König Manuel I. von Portugal 1514 Papst Leo X. als Geschenk nach Rom schickte. Am päpstlichen Hof war Hanno eine große Attraktion, starb jedoch schon 1516 aufgrund unsachgemäßer Behandlung.
Im Kupferstichkabinett wird „Hanno Elefant“ dagegen artgerecht, lichtgeschützt und wohltemperiert gehalten. Auf Facebook gestattet er Blicke hinter die Kulissen des Kupferstichkabinetts, lädt zu Veranstaltungen ein und hat immer die neuesten Informationen parat.
Eigentlich eine schöne Idee, doch der kurze Versuchszeitraum von September 2012 bis Februar 2013 heißt wohl, dass es an Kapazität mangelte, das Konzept wirklich umzusetzen. Vielleicht war aber auch die Anlage als Fanpage ein Hindernis: damit ist es einfach sehr viel schwieriger, in kurzer Zeit und mit beschränkten Mitteln eine relevante Reichweite aufzubauen.
Welche Beispiele fallen euch noch ein? In den nächsten Posts möchte ich noch über Romane auf Facebook und wie man ein Theaterstück auf Facebook inszenieren kann erzählen. Über weitere Vorschläge bin ich aber natürlich dankbar!